Wie eine Familie – und diese Familie feiert nun das 50-jähriges Bestehen. Das gelingt zwar nicht mehr im “Tuddel”, jetzt hat man in der Gaststätte “Op den Tömp” eine neue Heimat gefunden. Zwei Tage lang dauern die Feierlichkeiten. Doch wie hat eigentlich alles begonnen?

“Wir blasen Borussia den Marsch”. Karneval und die Leidenschaft für den VfL passen sehr wohl zueinander. Fotos: Den Tuddel

Lobberich (von Uli Rentzsch) 15. Juni 2022 Wenn jemand seinen 50. Geburtstag feiert, sagt man doch, gut, jetzt hätte man zumindest die Hälfte geschafft. Ob das auch für einen Fanclub eines Fußball-Bundesligisten zutrifft? Wer weiß das schon? Wolfgang Koch vielleicht? Seit gefühlten Ewigkeiten ist er mit dem Fanclub „Den Tuddel“ so eng verbunden wie möglicherweise nur die Gründungsmitglieder. Kurios ist, dass Wolfgang sowohl Präsident als auch Ehrenpräsident ist – zur gleichen Zeit. Dazu später mehr.

Zunächst blicken wir zurück in eine Zeit, als die Mitglieder der verschiedensten Fanclubs während des Spiels friedlich nebeneinander im Stadion saßen und ihre jeweilige Mannschaft anfeuerten. Da konnte es durchaus vorkommen, dass man nach dem Spiel sogar die Fan-Schals tauschen wollte. Ja, auch 1975 in Köln. „Das sollte man heute mal machen, undenkbar.“ Wolfgang runzelt die Stirn.

„Für uns zählt, dass wir der älteste Fanclub der Borussia sind“, sagt Wolfgang. Ja gut, man hatte sich damals nicht beim Fanprojekt angemeldet. Jetzt müsse man damit leben, dass man halt der „inoffiziell“ älteste Fanclub des VfL sei. In der Gaststätte „Den Tuddel“ an der Breyeller Straße mögen ein paar Bierchen auf den Tischen gestanden haben. Das war am 2. Januar 1972. Zu Beginn des neuen Jahres hatte sich hier und da die Sonne gezeigt, ein paar Wölkchen zogen durch, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt lohnten sich Schal und Hut. Vor allem am Abend, als man sich den Weg zum Tuddel machte. Und weil man sich in der Gaststätte sowieso über die Borussia unterhielt, lag die Idee, einen Fanclub zu gründen, quasi auf der Hand. Offiziell war es zu diesem Zeitpunkt eine halbe Stunde nach Mitternacht. Das ist protokolliert. Mit von der Partie waren Wirtin Erika Herkenrath und ihr Mann Klaus. Und der Name des Fanclubs? Man musste nicht lange überlegen: „Den Tuddel“.

Im Mai 1975: Reise nach Berlin

Am Gründungstag war Wolfgang nicht dabei. „Aber noch im Gründungsjahr bin ich eingetreten“, erinnert er sich, damals noch keine 16 Jahre alt. Den Geist den Fanclubs hatte er schnell verstanden: die Borussia anfeuern, aber im fairen Sinne. Lieder singen, Präsenz und vor allem die Farben zeigen. In seinem Gartenhäuschen hat er fürsorglich einige Borussia-Andenken platziert. Erinnerungen wie Denkmäler groß. Nicht im wahren Sinne des Wortes, aber tief im Herzen. Die Borussia-Ecke: Da hängt auch eine Zither an der Wand. „Die nutze ich als Requisite, ein Geschenk von einem Arbeitskollegen“, sagt er und muss lachen. Jedes Bild, jedes Poster hat seine Bedeutung. Ach, der Bökelberg. Andere Zeiten, andere Zuschauer. „Wir standen in der Nordkurve, rechst vom Tor.“

„Inzwischen dürfte unser Durchschnittsalter Ü60 plus sein“, gibt Wolfgang zu bedenken, aber man hätte in den vergangenen Jahren doch einige Mitglieder aus der jüngeren Generation für den Fanclub gewinnen können. „Wir sind in der Historie gewachsen“, sagt er. Sie alle, die Jüngeren und die schon Älteren, aktuell 70 Mitglieder, stünden hinter der Idee des Clubs: „Nach Paragraf 1 unserer Satzung ist die Idee die Unterstützung der Bundesligamannschaft von Borussia Mönchengladbach und die Pflege der Geselligkeit.“ Geselligkeit bedeutet auch Brauchtumspflege. Mit anderen Worten: Bei den Karnevalsumzügen war „Den Tuddel“ selbstverständlich im Zug zu finden – mit eigenem Wagen. Auch die Verbundenheit zum Schützenwesen wurde geachtet und gepflegt. „In diesem Jahr sind wir wieder dabei – allerdings nicht mehr zu Fuß, sondern mit einem Planwagen.“ Das sei dem Alter geschuldet. Da muss Wolfgang selbst lächeln.

Am letzten oder vorletzten Spieltag – je nachdem, wie es der Spielplan hergibt – ist „Den Tuddel“ auch mit dabei. Besuch des letzten Auswärtsspiels einer Saison. Tradition eben. Dieses Jahr ging es also nach Frankfurt. 1:1. „Wetter gut, Spiel naja – hätten wir gewinnen können, aber insgesamt war es eine runde Sache.“ Der Vorstand kümmert sich um die Karten. Kein Problem, das geht online und reibungslos. „Da muss man den Namen des Fanclubs angeben und die Mitgliedsnummer. Bei uns ist das die 0001.“ So viel noch einmal zum Thema ältester Fanclub. Gebucht werden Tribünenkarten, Stehplätze sind nicht mehr gewünscht. „Es ist eine andere Welt geworden“, sagt Wolfgang. Schon, weil es viel mehr Bundesligamannschaften in der Region gegeben habe. Wattenscheid, Duisburg, Essen, Oberhausen – neben all den anderen: Bochum, Schalke, Dortmund – und natürlich Düsseldorf, Uerdingen und Köln. Gut möglich, dass man gar nicht so lange unterwegs war.

Rom im Jahr 1977: Der Fanclub auf dem Weg zum Endspiel der Borussia gegen Liverpool.

Und heute? Wie Sterne – nicht immer zu sehen, aber immer da. Man trifft sich vor dem Fernsehen in einer Gaststätte, die die Bundesligaspiele noch zeigen darf und möchte, oder auch privat. Regelmäßig finden Vorstandssitzungen statt. „Wir haben Blickkontakt, wenn ich es einmal so ausdrücken darf.“ Es ist durchaus üblich, dass man sich ganz ungezwungen freitags zu einem Bierchen trifft. Jetzt, nach der Corona-Pause.

Erinnerungen. „Wir hatten auch eine eigene Tuddel-Elf“, weiß Wolfgang. Man habe an Turnieren für den guten Zweck teilgenommen. „Lutz Burchardt war noch Libero, so lange ist das her.“ Als es bei der Borussia nicht so richtig „rund“ lief, hatte man auf dem Karnevalswagen plakatiert: „Wir blasen der Borussia den Marsch.“  Man habe sogar gegen die Elf der Gaststätte von Helmut Wilbers gespielt. Diese Idee war entstanden, weil einer im Tuddel-Fanclub den Mund ein wenig zu voll genommen hatte. Eine Bierwette. „Mein Gott, die Helmut-Elf war doch so stark. Bezirksliga-Niveau. Mit ,Drickes’ und ,Haase’ in ihren Reihen. Und dann haben wir doch gewonnen. Jetzt spielen wir nicht mehr, haben wir nach dem Sieg gesagt. Ja, so war das damals.“
Die Borussia unterstützen, egal, wie es läuft. In der abgelaufenen Saison musste der Fanclub manches Tal durchlaufen. „Trainer Hütter war irgendwie nicht angekommen“, analysiert Wolfgang. Nun muss sich die Borussia nach einem neuen Trainer umsehen. „Das Ziel muss nicht unbedingt sein, ganz nach oben zu streben, sondern soliden, attraktiven Fußball zu bieten. Wir müssen nach vorne schauen. Wir müssen auf jugendliche Talente setzen. Platz zehn und ein bisschen mehr, das wäre ein Ziel.“

Als die Gaststätte „Den Tuddel“ schließlich die Türen endgültig verriegelte, das war 2011, gab es in Lobberich eine Traditionsgaststätte weniger. „Das Haus ist verkauft, der neue Eigentümer will das Gebäude als Wohnhaus nutzen“, sagte Erika Herkenrath damals. „Tja, und wir, wir hatten ein riesiges Identitätsproblem“, erinnert sich Wolfgang, „wir haben uns ja nicht nur wegen Fußball getroffen, sondern auch allgemein.“ Das sei wie eine große Familie gewesen – in einer sehr freundschaftlichen Atmosphäre. „Man wurde quasi zu guten Manieren erzogen“, erinnert sich Wolfgang und kann sich ein Augenzwinkern nicht verkneifen. Man kannte sich, man hat sich unterstützt, man wusste, wer was konnte, wer Hilfe anbieten konnte. Jetzt ist man „Op den Tömp“ an der Süchtelner Straße zu Hause. „Das ist unser Vereinslokal.“ Punkt. Und genau hier wird am 18. und 19. Juni das 50-jährige Jubiläum gefeiert. Samstag, das ist der Festabend: Entertainer Marcel Simons wird ab 19 Uhr vor Ort sei, Agnes Kasulke auch. Zehn Euro kostet der Eintritt, dafür ist aber auch der Imbiss inklusive. Karten gibt es übrigens bei Lotto-Toto Andreas Wersch in der Filiale Esch. Nur so viel dazu: Die Welt ist herrlich. Schon am Sonntagmorgen geht es ab 11 Uhr weiter. Dixie- und Jazzfrühschoppen steht dann im Terminkalender. Passend dazu schaut die Schmackes-Brass-Band vorbei. Auch hier kostet der Eintritt zehn Euro, wieder ist ein Imbiss inklusive. „Jünter“, das Borussia-Maskottchen, ist übrigens auch vor Ort. Da wird das eine oder andere Selfie möglich sein. „Mit dieser Veranstaltung wollen wir auch eine Initialzündung setzen. Wir wollen nicht, dass unser Fanclub einschlummert“, sagt Wolfgang.

Kurzfristig erreicht und die Nachricht von Peter Bongartz: “Von der ,Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH’ wurde uns nun mitgeteilt, dass auch mindestens ein oder auch mehrere ehemalige Borussen-Fußballspieler aus unserem Gründungsjahr 1972 am Samstag, 18. Juni, gegen 19.30 Uhr als Gäste dazukommen werden. Wer dieser ehemalige Spieler oder mehrere sein werden, wissen auch wir bislang noch nicht.”

Wolfgang Koch in seiner Borussia-Ecke. Foto Uli Rentzsch

Und was war nun mit den gefühlten Ewigkeiten? Wolfgang Koch ist seit drei Jahrzehnten Präsident des Fanclubs, davor mindestens acht Jahre lang zweiter Vorsitzender. Vor drei Jahren wurde er zum Ehrenpräsidenten gewählt. „Und jetzt eben auch aktueller Präsident.“

Der Text erscheint auch in der Spätlese.