Opa kannte den Lehrer Bömmel, aber er wusste nicht, wer James Bond ist. Macht ja nichts. Hauptsache, der Tausendsassa lässt sich jetzt mal blicken. Wird nämlich höchste Zeit.


Allein – und doch im Licht. Foto: Uli Rentzsch

Wo bleibt Bond, James Bond, wenn man ihn einmal braucht? Die Frage musste ich Opa heute Morgen schon mal überhaupt gar nicht stellen. Denn Opa hatte die Nase voll. Und zwar so was von gestrichen. Irgendwer hatte ihm das Feuerzeug weggenommen. Jetzt hing die Finas, dieses ägyptische Kraut, im Mundwinkel – und brannte nicht. Wenn ich de Saujung krieg, de mich de Schuh verstoche hat. Opa erinnerte sich an die Feuerzangenbowle und musste kurz lächeln. Ach, diese deutsche Filmkomödie mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle. So oft gesehen, dass man es inzwischen totgesehen hatte. Damals, 1944, als der Film in die Kinos kommen sollte, wollte Reichserziehungsminister Bernhard Rust die Veröffentlichung noch verhindern, weil der Film angeblich Lehr- und Schulkörper bis zur Peinlichkeit verunglimpfte. Doch ein ehemaliger Kunststudent und sich selbst als Baumeister Wähnender aus Österreich habe einige Male gelacht, hieß es. Schon kam der Film in die Kinos, erklärte Opa. Fast hätte er gelacht. Er muss es wissen, dachte ich mir. Schließlich hatte Opa sowohl den Ersten als auch den Zweiten Weltkrieg überlebt.

Jetzt konnte ich mich trauen: „Opa, wo ist James Bond, wenn man ihn dringend braucht?“ Wer ist denn James Bond? Opa schaute mich fragend an. „Na der, der immer die ganze Welt rettet.“ So einen gibt’s doch gar nicht. „Doch, immer in letzter Sekunde. James Bond kann sich immer befreien, kann superweit schwimmen, ganz tief tauchen, ganz hoch springen und ganz schnell Auto fahren. Und die Frauen finden ihn auch ganz schön gut“, sagte ich. Opa rollte mit den Augen. Junge, so einen gibt’s doch gar nicht. Dann wurde er nachdenklich. Obwohl, dachte er, du hast Recht. Gerade jetzt bräuchten wir einen, der alles kann. Einen, von dem jeder weiß, dass es ihn gibt, jeder dennoch überrascht ist, wenn man ihn sieht. Und dann alles wieder ins Lot bringt.

„Opa, was ist Krieg, ganz genau erklärt?“ Opa zuckte zusammen. Mit solch einer Frage hatte er zwar irgendwann gerechnet, aber nicht gerade jetzt. Ich sah, wie Opa sich an einen Spruch erinnerte, der dem deutsch-französischen Kunsthändler Antoine Richard zugeordnet wird: „Der Krieg ist ein Ort, an dem sich junge Menschen, die sich nicht kennen und nicht hassen, gegenseitig umbringen, und zwar auf Beschluss von alten Menschen, die sich kennen und hassen, aber nicht umbringen.“

Nun weißt du Bescheid, wollte mein Opa sagen, da fiel sein Blick auf das Feuerzeug. Zwischen zwei Kissen lag es, er hatte es wohl selbst verkramt. Mir kam es so vor, als ob Opa grinste. Da hatte er zuerst ganz schön doll geflucht, und dann hatte er eingesehen, dass er selbst das Feuerzeug verstochen hatte. Bei Lehrer Bömmel aus der Feuerzangenbowle war das noch ganz anders gewesen. Da hatte ja der Pfeiffer (mit drei „f“) Bömmels Schuh verstochen, weil er all seinen Klassenkumpels (und natürlich auch großes E Ponkt) beweisen wollte, was für ein lustiger Kerl er war. Und was er sich alles traute. Obwohl es überhaupt keinen Sinn machte. Einfach mal was machen: Dem anderen etwas wegnehmen, ohne dass man es selbst gebrauchen könnte. Auch nicht später.

Opa hatte sein Feuerzeug selbst zwischen den Kissen vergraben. Und das konnte er zugeben, obwohl er zunächst irgendwen – völlig aus der Luft gegriffen – beschuldigte. Jetzt saßen wir beide am Tisch im Wintergarten und dachten über James Bond nach. Und langsam stieg Wut in uns beiden hoch. Dabei hieß es doch: Wut bringe nicht Gutes. Hat das Richard David Precht gesagt? Egal. Jedenfalls Wut bis in die Haarspitzen. Wie konnte es so ein Jemand wagen, einem anderen etwas wegnehmen, zu lügen und zu lügen und zu lügen, und dann auch noch alles kaputt zu machen?

Junge, schalt doch mal das Radio ein, sagte mein Opa.