Wenn Opa frühstückte, konnte alles passieren. Dabei hatte ich ihn nur gefragt, was man für das beste Frühstück der Welt brauchte.


Was gehört zum besten Frühstück der Welt? Foto: Uli Rentzsch

Naja, das ist so eine Sache mit dem besten Frühstück der Welt, sagte er und schaute auf seine glühende Finas. Ohne Filter. Der eine mag ein Ei, die andere lieber zwei, meinte er. Gutebutter gehört mit Sicherheit dazu. Und Camembert natürlich. Opa sitzt im Unterhemd und der kurzen lila Turnhose in seinem Küchenanbau. Früher musste man noch von der Küche ins Freie treten und dann die zwei, drei Meter bis ins Haus rüberhuschen. Dumm nur, wenn es kalt war. Oder wenn es regnete. Irgendwann entschied Opa, eine Verbindung zu schaffen. Daraus wurde eine Art Wintergarten. Hier frühstückte Opa, hier las er seine Zeitung, hier rauchte er seine Zigaretten. Wenn Gäste kamen, wurde im Esszimmer aufgetischt. Die große Terrine, das schwere Besteck, die fein gefaltete Serviette.

Opa, was gehört zum besten Frühstück des Welt, hatte ich ihn gefragt. Ich mochte ja Weißbrot, so viel stand fest. Opa bevorzugte graues Brot. Darauf strich er Gutebutter. Er hätte mit Sicherheit Jochen Malmsheimer zugestimmt, der Jahre später behauptet hatte, dass gute Butter eigentlich ein Wort sei: Gutebutter. Wie Klarwasser. Ein Wort.

Auf die Butter verteilte er gewürfelten Speck, weiß und ein wenig schlabberig. Bah! Darauf kam der Senf. Ganz schön viel Senf. So viel Senf, dass auch zwischen den Speckstückchen alles voll Senf war. Das schmeckt doch nicht, Opa. Doch, sagte er und zwinkerte mir zu. Sollte ich ihm das glauben?

Nun, was noch fehlte, war der Camembert. Opa ließ sich Zeit, so, als ob er ein Kunstwerk schaffen wollte. Das schmeckt doch nicht, Opa. Doch, wirst du sehen, sagte er. Das Butterbrot wurde immer dicker. Brot, Gutebutter, Speck, Senf und Käse. Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Schon deswegen, weil ich merkte, dass mein Opa einen riesigen Schabernack veranstalten wollte. Immer langsamer, immer bedächtiger schmierte er sein Brot. Jetzt machte er auch noch eine Pause und nippte am Kaffee. Das ist ja spannend, dachte ich. In dieses Brot wird er niemals beißen, da war ich sicher.

Opa schaute mich an, blickte mir genau in die Augen. Die Zeit verging, und ich war nicht sicher, ob ich jetzt etwas sagen sollte. Aber Opa hatte längst der Hafer gestochen. Er griff zum Messer und zog das Töpfchen mit der Marmelade heran. Was ich da ahnen sollte, das konnte nicht sein, da war ich jetzt aber ganz, ganz sicher. Opa legte das Messer wieder bei Seite, griff das Glas, packte es fest mit der rechten Hand. Dann drehte er mit links den Deckel ab. Und schaute mich wieder an. Jetzt stach er mit dem Messer in die Marmelade. Zog das eingekochte Obst heraus und ließ es – in Zeitlupe – auf den Käse tropfen.

Nein, das schmeckt doch nicht, Opa. Meine Stimme überschlug sich fast. Das lag daran, dass meine Augen immer größer wurden. Opa verstrich die Marmelade genüßlich über den Käse. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, das Brot im Blick, aber ein Auge auf mich gerichtet. Mein Opa konnte das. Und er ließ sich unendlich viel Zeit. Brot. Gutebutter, Speck, Senf, Camembert und Kirschmarmelade. Und dann packte er sein Brot, wohl wissend, dass meine Augen jetzt nicht mehr größer werden konnten. Und biss zu.

Als wir nach zehn Minuten aufhörten zu lachen, fragte ich wortlos, ob das alles wirklich schmeckt. Geantwortet hat mein Opa bis heute nicht. Aber ich hatte eine Ahnung, was das beste Frühstück der Welt war.