Lobbericher Wind bringt auch den Wandel.
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Lobberich – klingt das noch wie Samt und Seide? Mitte des 20. Jahrhunderts hatte diese Aussage ein starkes Gewicht. Doch die Samt- und Seidenproduktion ist Geschichte. Dort, wo einst die Firma Niedieck ihren Sitz hatte und vielen Menschen Arbeit anbot, stehen heute Ein- und Mehrfamilienhäuser. Vielleicht in Sinnbild für den Wandel im größten Stadtteil in Nettetal: Der Strukturwandel scheint gelungen. Das war sicherlich keine leichte Aufgabe. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich auch die Metallindustrie mit „Rokal Armaturen“ und später dem Zulieferer für die Automobilindustrie „Pierburg“ etabliert.
Wandel überall: Wo noch bis in die 1970er Jahre der Schienenbus auf seinem Weg nach Kempen oder Kaldenkirchen im Lobbericher Norden Halt machte, gleiten jetzt die Radler auf dem Bahnradweg galant in Richtung Ost oder West. Heute steht fest: Auf diesem Radweg ist vor allem an den Wochenenden ganz schön viel Verkehr. In den Köpfen der Planer drehen sich die Gedanken laufend um eine Manifestierung der Verbindung von Venlo bis Krefeld. Bis dahin ist noch manche Hürde zu nehmen. Den Fluss der Bewegung stören noch einige Übergänge von Straßen, an denen der Radverkehr nicht den Vorrang hat. Wer von der Maas bis zum Rhein ohne Hindernisse durchradeln will, wird sich noch gedulden müssen. Aber das Ziel ist gesetzt. Und wer ohne vor Wut zu schäumen absteigen kann, genießt diese wunderbare Natur links und rechts des Weges.
Mitten in Lobberich steht die Burg Ingenhoven. Gelesen hatte man erstmals 1403 von diesem Bauwerk. Früher ein Rittersitz des Bocholter Adelsgeschlechts, heute ein weit in der Region bekanntes Restaurant. Umrahmt wird die Burg von Ingenhovenpark. Nicht ganz so groß wie der Berliner Tiergarten, aber Platz zum Entspannen mit Blick auf den mit Enten gefüllten Teich ist reichlich vorhanden (da ist er wieder der, der Wenkbüll – die Textilindustrie hatte Lobberich wohlhabend gemacht, die Lobbericher betrachteten sich gern als wichtiger Baustein im weltlichen Imperium und wurden deshalb gern als Windbeutel, als “Wenkbüll” bezeichnet. Lobbericher Wind eben, naja, der Wind kommt meist aus Südwest. Also gut, wir ziehen den Tiergarten zurück).
Und jetzt? Der wohl optisch am deutlichsten sichtbare Wandel entdeckt man an der Niedieckstraße. Dort, wo Samt produziert wurde und vielen Menschen Lohn und Brot bescherte, liegt jetzt ein großes Neubaugebiet. Wohnen statt Arbeit. Im Osten, dort wo die Sonne aufgeht, warten Erzieherinnen und Erzieher tagein tagaus auf die Kindergartenkinder in der DRK-KiTa Nettetopia, im Westen, dort wo die Sonne sich dem Horizont nähert, kommen die Seniorinnen und Senioren in der Tagespflege. Zwischen ihnen die moderne Familie oder vielleicht auch einige Singles. Generationen leben dicht beieinander, das scheint doch das Wichtigste. (ur)